Bericht über Teilnahme von TierbefreiungsaktivistInnen an Blockupy Frankfurt

Blockupy Frankfurt – Bericht über die Teilnahme von TierbefreiungsaktivistInnen an den antikapitalistischen Aktionstagen in Frankfurt vom 16. bis zum 19. Mai 2012


Das Ziel wurde häufig formuliert, aber selten in die Tat umgesetzt: Die Tierbefreiungsbewegung soll ein aktiver Teil einer antikapitalistischen Linken sein, ohne dabei ihr eigenes Profil zu verlieren. Ihre kapitalismuskritische Position soll sie jedoch nicht weiterhin lediglich postulieren, sondern in konkrete Forderungen und Handlungsmöglichkeiten umsetzen. Die Teilnahme an den Blockupy-Aktionen war seitens der teilnehmenden TierbefreiungsaktivistInnen ein erster Versuch, sich an Massenprotesten als TierbefreierInnen zu beteiligen. Im Folgenden soll über dieses Projekt berichtet werden.

Mittwoch – Anreise und Rave against the System

Die ersten TierbefreierInnen erreichten bereits am Mittwoch die Bankenmetropole Frankfurt; nicht ohne unentwegt Schreckensmeldungen im Radio zu hören: Tausende ‚gewaltbereite Autonome‘ kämen in die Stadt, weshalb ein notstandsartiger Ausnahmezustand verhängt wurde, indem alle Versammlungen selbst vom Bundesverfassungsgericht verboten wurden und zum Teil im Vorfeld bereits Aufenthaltsverbote für den Behörden bekannte AktivistInnen ausgesprochen wurden. So wurde bereits die erste Kundgebung vor der Europäischen Zentralbank (EZB) kurz vor ihrem Beginn am Mittwochmittag verboten, wodurch auch der geplante Redebeitrag zur Verbindung von Kapitalismus, Naturbeherrschung und Tierausbeutung ausfallen musste. Die Entscheidung zum endgültigen Verbot der Versammlungen fiel in letzter Minute und vieles blieb unklar in diesen Tagen, aber sicher war, dass es ein hektisches und unvermeidbar konfrontatives verlängertes Wochenende werden würde, denn auf Seiten des Blockupy-Bündnisses stand fest: Blockupy findet statt!

Das erste ‚Katz-und-Maus-Spiel‘ begann daher, als die Blockupy-AktivistInnen versuchten, den nicht genehmigten ‚Rave against the System‘ an der Hauptwache doch durchzuführen. Das Schauspiel sollte prinzipiellen Charakter haben: AktivistInnen besetzen einen Platz, bauen schleunigst Protestmaterial (in diesem Fall die Soundanlage) auf und versuchen, ihre Veranstaltung abzuhalten. Die Polizei reagiert – mal schnell, mal verzögert – mit der Einkesselung der AktivistInnen, woraufhin verspätete aktivistische NachzüglerInnen an der Teilnahme gehindert werden und einen ‚Kessel‘ um den Kessel der Polizei ziehen. Dann ist es eine Frage der Zeit, bis die Polizei entweder den jeweiligen Platz räumt oder die DemonstrantInnen von selbst gehen. Die Stimmung – so auch beim Rave – blieb über die gesamte Blockupyzeit friedlich und fröhlich und erinnerte zuweilen eher an eine kreative Straßenparty als an Klassenkampf und massenhaften zivilen Ungehorsam.

Für die TierbefreiungsaktivistInnen bedeutete der Mittwoch vor allem die ernüchternde Erkenntnis, dass das Besetzen eines Zeltplatzes in der Taunusanlage und somit die Errichtung eines eigenen ‚Barrios‘ vorerst scheiterte. Überhaupt zeichnete sich bereits ab: Spontaneität und Flexibilität würden äußerst gefragte Fähigkeiten werden.

Donnerstag: Take the Squares und gebrochene Arme

Die Maxime des Donnerstags lautete, sich die öffentlichen Plätze wieder anzueignen und überall in der Bankencity Protestcamps aufzubauen. In dieser festen Absicht brachen dann etwa 30 TierbefreiungsaktivistInnen aus allen Teilen der Republik und aus Österreich auf. Bereits nach fünf Metern gab es den ersten Polizeikontakt – man dürfe nur in Kleingruppen unterwegs sein, man sehe nach ProtestlerInnen aus etc. Die Gruppe wurde aufgespalten und entschied sich, in Kleingruppen in die Stadt zu kommen. Eine Sechsergruppe wurde direkt am Hauptbahnhof von ca. 20 PolizistInnen etwa eine Stunde lang kontrolliert und schickaniert. Transparente und Zelte wurden beschlagnahmt, weil sie Demonstrationsmaterial seien, mehrere hundert Flugblätter hingegen durften wieder mitgenommen werden. Die Polizei war völlig überfordert, wusste nicht so recht, wie mit den AktivistInnen zu verfahren sei und offenbarte in der Konfusion ihre zutiefst autoritären Organisationsstrukturen. Auf die Beschwerde der AktivistInnen entgegnete der Gruppenleiter: „Es gibt Anordnungen, die befolgt man. Da gibt es nichts zu diskutieren.“

Viele der versprengten AktivistInnen fanden sich dann außerhalb des Polizeikessels um die Besetzung des geschichtsträchtigen Paulsplatzes wieder und begannen, die ersten der 10.000 extra für die Frankfurtblockaden angefertigten Flyer zu verteilen. Nur kurze Zeit später setzte sich jedoch eine Gruppe Menschen in Bewegung, um den nahegelegenen Römerberg erfolgreich für Stunden zu besetzen: Zelte wurden aufgebaut, Flyer wurden verteilt, Parolen wurden skandiert. Mit der Zeit fanden sich alle TierbefreierInnen dort zusammen, was nicht zuletzt durch die gute Kommunikation über eigens eingerichtete und stets erreichbare Infohandies ermöglicht wurde. Es dauerte einige Zeit, bis die Polizei erstmals massive Präsenz zeigte und ein Verwaltungsgebäude abriegelte. Da die TierbefreierInnen zufällig in unmittelbarer Nähe standen, sofort Ketten bildeten und als einige der wenigen Transparente mit sich führten, tummelte sich plötzlich die Presse, um Fotos und Filmaufnahmen zu machen. Die Eskalation in Form der Räumung durch die Polizei dauerte jedoch bis zum späten Nachmittag. Einzeln wurden die BesetzerInnen weggetragen oder weggezerrt; natürlich nicht ohne die vorherige Androhung, man werde nicht tragen und es werde wehtun. ‚Wehtun‘ war in einigen Fällen eine maßlose Untertreibung, da allein unter den ca. 30 TierbefreierInnen mehrere Verletze waren: Ein Aktivist erlitt auf Grund des Verbiegens seiner Hand einen Haarriss am Armknochen, einer Aktivistin wurde ebenfalls der Arm geschient, eine weitere Aktivistin erlitt eine schmerzhafte Prellung am Oberarm. This is what democracy looks like.

Nach dem gescheiterten Versuch einer Spontandemo im Anschluss an die Räumung fanden sich viele AktivistInnen wieder im DGB-Haus am Mainufer ein, wo es die wohlverdiente Vokü und eine Tasse heißen Tee gab, um den Abend ausklingen zu lassen. Ruhe war nötig, denn auch der Freitag versprach, anstregend zu werden.

 

Freitag: Blockadehelferin Polizei legt die Bankencity lahm

 

Das Blockupybündnis hatte für den Freitag geplant, die Innenstadt zu fluten: unterschiedliche ‚Protestfinger‘ mit je eigenem Oberthema sollten überall Besetzungen und Protestaktionen realisieren. Die massive Polizeipräsenz, die weiträumige Absperrung des Bankenviertels und die Kontrolle jeder Gruppe von mehr als drei Menschen führten jedoch zu einem offenbar großteils improvisierten Notfallplan. Über Twitter und Handies wurde die Info verbreitet, man möge ins Frankfurter Westend fahren, um dort zu demonstrieren. Dort jedoch begegneten ca. 200 AktivistInnen einer Übermacht der Polizei, was zum erneuten ‚Katz-und-Maus-Spiel‘ führte. Der anfängliche Frust ob des offenbar gescheiterten Versuchs, eine Spontandemo durchzusetzen, wich jedoch, als klar wurde, dass das ‚Ablenkungmanöver‘ den Weg zur EZB-Baustelle freigemacht hatte. Dort versammelten sich nach und nach einige hundert Menschen, um den Platz vor der EZB zu besetzen – einem der Hauptziele des Blockupybündnisses. Etwa die Hälfte der TierbefreiungsaktivistInnen schaffte es, an der Blockade teilzunehmen, der Rest wurde aufgehalten und blieb außerhalb des Polizeikessels. Im Laufe des Mittags wurde dann überdeutlich, was sich zuvor schon abzeichnete: Blockupy war erfolgreich, denn große Teile der City und selbst einige Autobahnabfahrten waren blockiert, mehrere U- und S-Bahnstationen gesperrt sowie der gesamte Bus- und Tramverkehr in der Innenstadt eingestellt. Einziges Manko: Dies war nicht das Resultat massiver sozialer Bewegung und kollektiven zivilen Ungehorsams, sondern vor allem des chaotischen und nahezu panischen Einsatzes von tausenden PolizistInnen aus dem gesamten Bundesgebiet, die alles blockierten und absperrten, was Zugang zur Bankencity ermöglicht hätte. Große Teile der Frankfurter Innenstadt wurden somit in eine Geisterstadt verwandelt. Nach Stunden des Rennens und Blockierens versammelten sich die TierbefreierInnen wieder und planten den weiteren Verlauf des Nachmittags. Man hatte sich bereits sehr erfolgreich an den antikapitalistischen Massenaktionen beteiligt und das geteilte Anliegen aller BlockupyaktivistInnen unterstützt. Doch nun sollten die Blockupyproteste durch eine eigene, „tierrechtstypische“ Aktion ergänzt werden, sodass Go-Ins bei einem Pelzgeschäft und einem pelzverkaufenden Modeunternehmen geplant wurden. Leider mussten beide Aktionen auf Grund der unüblichen und unvorteilhaften Begebenheiten vor Ort abgeblasen werden. Dennoch wurde auch hier deutlich, welchen zentralen Stellenwert Aktionen des zivilen Ungehorsams auch für die Tierbefreiungsbewegung haben.

 

Samstag: Großdemo gegen das Krisenregime

Die Großdemonstration am Samstag war die einzige genehmigte Versammlung der gesamten Blockupyproteste. Etwa 25.000 bis 30.000 Menschen nahmen an ihr teil, wobei eine unbekannte, aber vermutlich sehr hohe Zahl an DemonstrantInnen durch Polizeischikanen oder durch das Aufhalten von Reisebussen (z.T. in den Vortagen) an der Teilnahme gehindert wurde. Das Thema Tierbefreiung drohte angesichts der zahlenmäßigen Marginalität im Gegensatz zu den Vortagen völlig unterzugehen. Um dies zu verhindern, postierten sich die AktivistInnen vor der Demo bereits an einer Kreuzung, an der die gesamte Demo vorbeilief. Mehrere tausend Flyer konnten so von dort aus gleich zu Beginn der Demo an die TeilnehmerInnen verteilt und unser Standpunkt durch das Rufen antikapitalistischer und tierbezogener Parolen vermittelt werden. Auf diese Weise konnte die Marginalität kurzfristig durchbrochen werden und eine weitgehende Sichtbarkeit hergestellt werden. Dies wurde auch von vielen anderen DemoteilnehmerInnen erwidert, die unseren Flyer zum Teil schon mehrmals angeboten bekommen hatten. Auch die Presse reagierte auf Grund der simplen aber effektvollen Positionierung interessiert und machte mehrere Interviews sowie etliche Fotos.

Nachdem ein Großteil der Demo am „Tierbefreiungsblock“ vorbeigezogen war, reihte sich dieser schließlich in die Demo ein und skandierte in für die Tierbefreiungsbewegung üblicher Weise dauerhaft Parolen. Ob des guten Wetters, der anstrengenden Vortage und der langen Route erreichten TierbefreierInnen erschöpft den Abschlusskundgebungsplatz. Ein ereignisreiches und erfolgreiches verlängertes Wochenende wurde somit beendet. Der Sonntag wurde schließlich noch von einem großen Teil der AktivistInnen für Austausch, Auswertung und weitere Planung genutzt. Ideen für Verbesserungen lagen auf Grund der kurzen Planungszeit nahe, doch alle Anwesenden waren sich einig, dass dies ein gelungener Start für eine antikapitalistische Tierbefreiungspraxis war, die dringend weiter reflektiert und intensiviert werden muss.

Mehr Infos: www.tierbefreiung-hamburg.org/Frankfurt


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