Stellungnahme von Tierbefreiung Hamburg zur Apel-Rede auf der Tierversuchsdemo in Bremen am 28.04.2012

Mit diesem Schreiben nehmen wir Stellung zur Protestaktion gegen die Rede von Wolfgang Apel, den Übergriffen durch die Securities des Deutschen Tierschutzbundes und den zu erwartenden Reaktionen aus dem Tierschutz-Spektrum bezüglich unserer Aktion.

Hintergrund der Geschehnisse:
Die Gruppe Tierbefreiung Hamburg hat sich, trotz deutlicher inhaltlicher Kritik an anderen teilnehmenden Gruppen, an den Protestaktionen gegen Tierversuche in Bremen beteiligt. In einem offenen Brief [1] an die Veranstalter Ärzte gegen Tierversuche (ÄgT) haben wir bereits im Vorfeld unseren Protest gegen Wolfgang Apel deutlich gemacht. Apel ist Ehrenpräsident des Deutschen Tierschutzbundes und gleichzeitig Vorstandsvorsitzender von Neuland Fleisch. Somit ist er Teil der (Bio-)Fleischindustrie und legitimiert Gewalt an Tieren. Viele Gruppen (u.a. die Tierfreunde, Free Animal, Kreaktivisten) und Einzelpersonen aus der Tierrechts- und Tierbefreiungsbewegung schlossen sich unserem offenen Brief durch eigene Protestschreiben an. Bereits in unserem offenen Brief machten wir deutlich: „Um es vorweg zu sagen und pauschalisierenden Befürchtungen den Wind aus den Segeln zu nehmen: Wir werden weder die Bühne stürmen, noch anderweitig die Rede aktiv verhindern.“

Was war passiert?
Kurz nachdem Apel mit seiner Rede begonnen hatte, platzierten sich drei Aktive des Tierbefreiungsblocks mit Schildern vor der Bühne, um still und friedlich gegen Apel zu protestieren. Die Schilder stellten diejenigen Informationen über Apel bereit, die die VeranstalterInnen der Demonstration den TeilnehmerInnen schuldig blieben – dass Apel ein Vertreter der Fleischindustrie ist. Es bestand unter den Beteiligten der explizite Konsens, die Rede weder verbal zu stören, noch die Bühne zu besteigen oder sonst wie aktiv zu stören. Wir gingen davon aus, dass auch seitens der Ärzte gegen Tierversuche diese Geste als Deeskalation erkannt würde und Apel somit in Ruhe, aber nicht unkommentiert, die Rede beenden könnte. Wir betonen hiermit noch einmal, vor allem um möglichen Diffamierungen als Krawallmacher oder ähnlichem den Wind aus den Segeln zu nehmen, dass wir still und passiv die Rede kommentiert und in keiner Weise aggressiv oder lautstark eingegriffen haben, auch wenn wir vollstes Verständnis für AktivistInnen haben, die auch aktiv die Rede hätten verhindern wollen.

Nach wenigen Sekunden signalisierte die Anmelderin der Demonstration (von den ÄgT) jedoch dem eigens vom Deutschen Tierschutzbund angeheuerten privaten Sicherheitsdienst einzuschreiten, was dieser dann auch tat und den drei TierbefreierInnen die Schilder zu entreißen versuchte und sie gewaltsam zur Seite stieß. Erst auf Grund der Tatsache, dass Securities einer privaten Sicherheitsfirma von der Demoleitung auf die eigenen Leute angesetzt wurden, um diese gewaltsam von ihrem Protest abzuhalten, eskalierte die Situation kurzzeitig. Immer mehr Menschen gesellten sich hinzu, beschwerten sich lautstark über die Angriffe auf die Aktiven und machten nunmehr ihren Ärger über Apel deutlich, z.B. mit Parolen wie „Wer Tiere respektiert, der isst sie nicht“. Kurz darauf schritt auch die Polizei ein, nicht aber um die Demonstrationsfreiheit zu schützen und die Amtsanmaßung der Securities zu unterbinden, sondern um diese noch zu unterstützen. Polizei und der Sicherheitsdienst des Tierschutzbundes wurden somit von den Ärzten gegen Tierversuche auf TierrechtsaktivistInnen losgelassen, die gegen Apels Rolle als Vertreter der Fleischindustrie protestieren! Auch wenn wir normalerweise vor derlei Begriffen zurückschrecken, aber dies ist ein handfester Skandal!

Zum Umgang mit Kritik und dem Mythos des gemeinsamen Ziels
Der Umgang mit unserer Kritik an der Demonstration ist dabei symptomatisch für die Tierschutzbewegung: Anstatt der Kritik inhaltlich zu begegnen, indem die eigene Kooperation mit der Fleischbranche verteidigt wird, wird zum Angriff gegen die Kritiker geblasen. Kritik wäre ‚Spaltung‘ und von ihr würden lediglich unsere ‚gemeinsamen Gegner, die Vivisektoren‘ profitieren. Dabei wird Wesentliches verwechselt: Wir legen lediglich den Finger in die Wunde, in dem wir auf den eklatanten Widerspruch hinweisen, einige Tiere (‚Versuchstiere‘) zu ’schützen‘ und gleichzeitig andere (‚Nutztiere‘) umzubringen. Anstelle nun die Wunde zu schließen wird der Finger attackiert.

Wir wollen an dieser Stelle deutlich machen: Wir haben nicht das gleiche Ziel wie die Tierschutzbewegung![2] Uns geht es um die Befreiung der Tiere aus der Herrschaft des Menschen, ihr geht es um eine Verbesserung ihrer Ausbeutungssituation, nicht aber um das Ende der Gewalt. Wenn diejenigen, die Tiermord durch ‚Bio‘-mythen legitimieren, nicht mehr auf Demonstrationen erscheinen, empfinden wir dies als Erfolg, da wir unsere politischen Gegner nicht mehr in unseren eigenen Reihen befürchten müssen. Der traditionelle, politische Tierschutz ist nicht Teil der Lösung, sondern Teil des Problems. Er hilft, Gewalthandlungen an Tieren zu legitimieren, solange diese unter ‚artgerechten‘ oder ‚humanen‘ Bedingungen erfolgen. Die Tierschutzbewegung hat es in über 100 Jahren nicht geschafft, das Ausmaß der Ausbeutung von Tieren grundsätzlich zu verringern, sondern im Gegenteil dazu beigetragen, Gewalthandlungen an Tieren noch weiter zu institutionalisieren. Uns ist bewusst, dass wir die Ausbeutung der Tiere nicht von heute auf morgen beenden können. Wird diese jedoch lediglich durch Reformen weiter sedimentiert, werden wir dieses Ziel nie erreichen. Letztendlich geht es Organisationen wie dem Tierschutzbund jedoch überhaupt nicht um ein Ende jeglicher Gewalt an Tieren, weshalb Entgegnungen, es handele sich lediglich um unterschiedliche Strategien bei der Verfolgung des gleichen Ziels, reine Ausflüchte sind. Es ist uns überdies viel an der Klarstellung gelegen, dass nicht wir die kurzzeitige Eskalation herbeigeführt haben, sondern die Ärzte gegen Tierversuche mit der Einladung Wolfgang Apels als Redner diese Eskalation bereits begonnen haben. Unsere Protestaktion war lediglich die logische und zu erwartende Konsequenz auf einen derartigen Affront gegen die Tierrechts- und Tierbefreiungsbewegung. Der Versuch, speziesistischen Tierschutz und abolitionistische Tierbefreiungspositionen auf einer Veranstaltung harmonisch koexistieren zu lassen, war spätestens nach der Einladung Apels bereits objektiv zum Scheitern verurteilt.

Aufarbeitung und Ausblick
Wir empfinden die Tatsache, dass uns unser stiller Protest gegen Apel nicht gewährt wurde und stattdessen ein Angriff auf TierrechtlerInnen von der Demoleitung in Auftrag gegeben wurde, als einen unfassbaren Angriff auf die Tierbefreiungsbewegung im Allgemeinen. Unser Vorhaben, eine diskursiv-kritische Stimmung zu erzeugen, wurde dadurch unterbunden und stattdessen eine Eskalation provoziert. Bei allem Verständnis für den Stress auf Seiten der Demoleitung, sind die Ärzte gegen Tierversuche durch ihr Handeln deutlich zu weit gegangen und haben selbst Mindeststandards kritischer Debattenkultur völlig missachtet.

Menschen, die aktiv und offensiv Gewalt an Tieren befürworten und legitimieren, haben auf Demonstrationen gegen Tierversuche nichts zu suchen! Private Sicherheitsfirmen haben auf Demos ebenso nichts zu suchen. Interne Konflikte dürfen nicht durch Außenstehende unterdrückt werden!

Die Ereignisse vom 28.04.2012 haben uns noch einmal in unserem Willen bestätigt, für die Befreiung der Tiere zu kämpfen. Wir werden uns nicht in diesem Kampf aufhalten lassen, weder von angeheuerten ‚Securities‘ noch von Diffamierungen unserer Kritik oder anderen Repressalien. Wir sind es den Tieren schuldig, immer wieder für ihre Befreiung auf die Straße zu gehen und dort auch diejenigen zu kritisieren, die ihre Ausbeutung durch Tierschutzmythen verfestigen wollen.

Die Zeit des Tierschutzes ist abgelaufen. Die Tiere warten auf ihre Befreiung!
Bis jeder Käfig leer steht
Tierbefreiung Hamburg, April 2012

[1] http://www.tierbefreiung-hamburg.org/archives/1203
[2] Vgl. hierzu unseren Redebeitrag auf der Demo am 28.04. http://www.tierbefreiung-hamburg.org/archives/1227


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